22-11-2006, 13.56
Vegtamsquida
Zum Rat versammelt sassen die Asen
Die Asinnen alle, und hielten Umsprach.
Vermutung tauschten die mächtigen Götter,
Weswegen dem Balder so Böses geträumt.
Er schlief so schlecht, als umschlängeln ihn Fesseln,
Des Schlummers Erquickung schlug in Qual um.
An Wahrsager wandten sich da die Gewaltgen
Und forschten ob es Furchtbares Vorbedeute.
Die Befragten versetzten: Früh zu sterben
Ist das Los des liebsten der Lieblinge Ullers.
Angst erfasste Frigg und Odin
Und die anderen Asen. Sie wurden einig.
Gesande zu senden an sämtliche Wesen
Mit der Bitte, den Balder zu verschonen mit Schaden
Ihn nicht zu verletzen Gelobte jedes,
Und in Eid nahm alle Odins Gemahlin
Doch dem Walvater dünkte die Bürgschaft dürftig;
Ihm schienen zu scheiden die schätzenden Nornen.
So berief er die Asen und forderte Rat
Aus unschlichtbaren Reden reifte kein Beschluss.
Da erhob sich Odin, der Volkserhalter,
Sattelte Sleipnern und ritt ohne Säumen
Hinunter ins Nachtreich. An Niflheims Grenze
Kam der Hund der Hel entgegen.
Seine Brust war gerötet von Blutgerinsel,
Zum Bisse der Rachen weit aufgerissen.
Mit gellem Geheul und gierig gähnend
Bellte er laut den Liedvater an.
Der sprengt vorwärts. Das Felsengefüge
Des Bodens bebte dumpf donnernd.
So gelangt er in Helas Hohen Palast.
Doch rasch nach dem Osttor durchritt ihn Odin.
Dort wußt er den Gruftbühl der wissenden Greisin.
Ertönen ließ er das Totenwecklied;
Nach Norden gerichtet entwarf er die Runen
Und fordert dann mit unfehlbaren Formeln
Voll Zaubergewalt den Zukunftswahrspruch,
Bis die widerwillige Wala aufstand,
Vom Todesgeschicke Bescheid zu erteilen.
Wala
Wer bist du, mir Fremder? Was weckst du mit Fragen
zu bänglicher Sorge die Seele mir auf?
Verschneit unter Schnee, umrieselt vom Regen
Und taunaß lag ich so lange schon tot.
Odin
Wegtam heiß ich, der Sohn des Waltam.
Vom Nachtreich hunten gib du mir Nachricht.
Was oben sich zuträgt, will ich dir erzählen.
Für wen sind die Bänke belegt mit Baugen,
Der glänzende Gastsaal mit Gold überschwemmt?
Wala
Für Balder hier schon der Becher bereit,
Drin den schäumenden Met ein Schild ihn bedeckt.
In Sorgen verzweifelt die Sippe der Asen. -
Das beschworst du mir ab - Nun laß mich schweigen.
Odin
Verstumme noch nicht, gestehe mir Alles.
Ich frage dich nun: Wer ist der Frevler?
Wer begeht die Tat, die dem Balder den Tod gibt.
Den an Jahren so jungen schon jäh dahinrafft?
Wala
Hödur trägt in der Hand den Treffer,
Den schädlichen Schößling, mit dem ers verschuldet.
Daß Balder durchbohrt hieher verbannt wird,
Daß Odins Sohne zu altern versagt ist.
Beschwörung entlockt mirs - Nun laß mich schweigen.
Odin
Verstumme noch nicht, gestehe mir alles.
Ich frage dich ferner: Wer wird den Frevel
Am ruchlosen Mörder Balders rächen
Und auf den Holzstoß den Hödur heben?
Wala
Im Wintersaale gebiert den Wali
Von Odin Rinda zum Rächer der Untat,
Der, nur eine Nacht alt, schon stark genug ist.
Er kämmt sich das Haar nicht, noch wäscht er die Hände
Bis er Hödurn empor auf den Holzstoss gehoben.
Beschwörung entlockt mirs - Nun laß mich schweigen.
Odin
Verstumme noch nicht, gestehe mir alles.
Ich frage dich ferner: wer sind die Frauen,
Die zu weinen sich weigern und ihre Gewande,
Statt ihr Haupt zu verhüllen, den Himmel werfen?
Nur das noch entschleire, dann schlafe weiter.
Wala
Nicht wie ich wähnte, Wegtam bist du,
sondern Odin, der Allerhalter.
Odin
Weder Wahrsagerin bist du, noch Wala!
Du bist vielmehr die Mutter der Nornen.
Wala
Reite zurück nun und rühme dich, Odin,
Daß du gekonnt was von Lebenden künftig
Niemand erreicht: Mit mir zu reden,
Eh los und ledig Loki der Fesseln
Und die Ordner enden am Unheilstage.